Im Kindergefängnis zerstört

Durchgangsheime der DDR waren pädagogisches Niemandsland. Auch wenn die Bezeichnung etwas anderes vermuten läßt- viele Kinder und Jugendliche waren weitaus länger als ein paar Wochen dort. Ursprünglich geplant zur fluchtsicheren Unterbringung von Ausreißern oder Republikflüchtlingen wurden sie im Laufe der Zeit auch für "schwererziehbare" oder aus "prekären Verhältnissen" stammende Minderjährige genutzt. Da der Staat definierte, was schwererziehbar oder prekär bedeutete, konnte somit jeder willkürlich in ein solches Heim eingewiesen werden. 

 

Durchgangsheime, wie das in Bad Freienwalde waren Gefängnisse, in denen bereits dreijährige Kinder eingesperrt wurden. 

 

Norda Krauel war ein solches Opfer.

 

Ein Schatten lag von Anfang an über ihrem Leben. Von der eigenen Familie verlassen, seelisch und körperlich gequält, findet sie einzig in ihrer Schulausbildung Halt. Doch das Streben nach ihrem Traumberuf wird zum Verhängnis.

 

Der Lebenswandel der Mutter verhindert das Antreten der gewünschten Lehrstelle und für Norda bricht eine Welt zusammen. Von ihrem Onkel, einem Stasioffizier, an den sie sich hilfesuchend wendet, wird sie sexuell mißbraucht. Ihr daraufhin nicht " normgerechtes" Verhalten führt zur staatlichen Heimeinweisung.

 

Im Durchgangsheim "Bad Freienwalde" endet mit 16 Jahren ihre Jugend und ihr weiteres Leben wird für immer davon geprägt sein. Physische und psychische Gewalt bestimmen den Heimalltag. Norda Krauel selbst nennt es Folter, was sie dort ertragen mußte. Zu ihren schlimmsten Erinnerungen gehören das Ziehen eines Zahnes - gefesselt und ohne jegliche Betäubungsmittel, stundenlanges Stehen in einer Zelle, gynäkologische Zwangsuntersuchung und mit dem Kopf in einen Toiletteneimer gezwängt worden zu sein. Nach einem halben Jahr wird sie in den Jugendwerkhof "Burg" weiterverfrachtet, dort geht ihr Leidensweg weiter. Mit 18 Jahren wird sie entlassen. Ohne Schulabschluss, ohne Perspektive, ohne Hilfe, aber schwer traumatisiert, muß sie weiterleben.

 

Norda Krauel ist kein Einzelfall. Innerhalb von 20 Jahren wurden im Heim " Bad Freienwalde" ca. 1.000 Kinder zwischen 3 und 18 Jahren alt eingesperrt. Insgesamt wurden in der DDR schätzungsweise

400.000 Kinder dieser sogenannten "sozialistischen Umerziehung" unterzogen.

Durchgangsheime waren die erste Station für Minderjährige, die dem Menschenbild der DDR- Diktatur nicht entsprachen, gegen Gesetze verstießen, aber auch Kinder und Jugendliche, die einfach nur Hilfe benötigten.  Erst danach wurden sie an spezielle Heime oder Pflegefamilien weitergereicht.

 

Behandelt wurden dort alle gleich. Jeder Neuankömmling wurde als erstes für 3 Tage in Einzelhaft verbracht. Die Zielstellung dieser völlig unangebrachten Schikane lag darin, die Kinder gefügig zu machen, um die spätere Umerziehung zu erleichtern. Sämtliche persönlichen Utensilien, einschließlich Kleidung, wurden ihnen entzogen und der Kontakt zur Außenwelt völlig unterbunden. Schulischer Unterricht fand nur noch sporadisch statt.

 

Der Aufenthalt in diesen Heimen, mit vergitterten Fenstern und schweren Metalltüren, variierte zwischen einigen Tagen bis zu einem halben Jahr. Mit einem militärisch straff durchgeplanten Tagesablauf wurden die Heimbewohner regelrecht abgerichtet. Einzelhaft, Schläge, Tritte,  Essensentzug, brutale Sportübungen und Zwangsarbeit gehörten zu den tagtägliche Qualen und Strafen.

 

Heute leidet Norda Krauel immer noch unter den Folgen der dramatischen Erlebnisse.

Sie engagiert sich im Verband ehemaliger Heimkinder und schaffte es ihre Rehabilitation  durchzusetzen. Mit anderen Betroffenen kämpft sie weiter für Anerkennung und gegen das Vergessen.

 

Hier wie immer noch einige Links zum Thema:

 

Informationen zu Norda Krauel  Zeitzeugenportal Brandenburg

DDR-Kindergefängnis Bad Freienwalde: Die eisige Kälte der Macht Quelle: Deutschlandfunk

Vergewaltigt und im Heim misshandelt - DDR-Heimkind kämpft um Rehabilitation  Quelle: rbb24

Als Kinder weggesperrt: DDR-Opfer kämpfen bis heute um Rehabilitierung  Quelle: br24

DDR-"Durchgangsheim" in Bad Freienwalde: Opfer fordern Rehabilitierung  Quelle: Deutschlandfunk Kultur